Folgend ein Auszug aus dem Vortrag „Mobilität für alle – Eine Herausforderung für Europa“ von Dr. Volker Sieger. Der Leiter des IbGM (Institut für barrierefreie Gestaltung und Mobilität) hatte im Rahmen der Europäischen Konferenz zur Intergration behinderter Menschen am 11./12. Juni 2007 eine Bestandsaufnahme zur Barrierefreiheit in Deutschland und Europa gegeben und seine Sicht der Dinge dargestellt.
Der Auszug aus seiner Rede schildert den Status Quo der Barrierefreiheit im Flugverkehr:
Mit der im Jahr 2006 beschlossenen Verordnung über die Rechte von behinderten Flugreisenden (Nr. 1107/2006) wurde die diskriminierungsfreie Beförderung im Luftverkehr durch die EU umfassend geregelt. Der Ausschluss von einer Flugreise auf Grund einer vorliegenden Behinderung oder Mobilitätseinschränkung ist nur noch innerhalb eng gesteckter Grenzen, beispielsweise aus Sicherheitsgründen, möglich. Zwar besteht aus meiner Sicht an dem einen oder anderen Punkt der Verordnung durchaus Verbesserungspotenzial. Ungeachtet dessen ist damit jedoch die diskriminierungsfreie Beförderung behinderter und in ihrer Mobilität eingeschränkter Personen vom Grundsatz her geregelt worden. Über eine mögliche und aus meiner Sicht notwendige Anhebung der Entschädigungshöchstgrenzen für beschädigte oder verloren gegangene Hilfsmittel läuft derzeit eine Untersuchung, deren Ergebnisse abzuwarten bleiben.
Zwar appelliert die angesprochene Verordnung an Flughafenbetreiber und Fluglinien gleichermaßen, beim Bau oder der Renovierung neuer Flughäfen und Abfertigungsgebäude bzw. bei der Neuanschaffung oder Neugestaltung von Flugzeugen so weit wie möglich die Bedürfnisse von behinderten und in ihrer Mobilität eingeschränkten Fluggästen zu berücksichtigen. Eine Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung, die den Belangen der Betroffenen in der Praxis tatsächlich gerecht wird, ist damit jedoch nicht verbunden. Während die barrierefreie Neugestaltung von Flughäfen und Abfertigungsgebäuden noch ein relativ unproblematisches Unterfangen darstellt, sofern das Baurecht des jeweiligen Mitgliedsstaates hierzu entsprechende Regelungen enthält, sieht es bei der Zugänglichkeit und Kabinengestaltung von Flugzeugen viel problematischer aus.
Leider existieren in Europa keine auf die Bedürfnisse behinderter Menschen tatsächlich zugeschnittenen Mindeststandards für die barrierefreie Gestaltung von Flugzeugen. Für einen nicht unerheblichen Personenkreis bedeutet dies, dass er trotz vorhandener Hilfeleistungen nicht diskriminierungsfrei mit dem Flugzeug verreisen kann. Den Betroffenen wird abverlangt, ihre Mobilitätshilfe – in der Regel einen auf ihre Bedürfnisse angepassten Rollstuhl – gegen ein auf die Zugänglichkeit eines Flugzeuges zugeschnittenes Hilfsmittel einzutauschen und sich darüber hinaus von fremden Personen tragen zu lassen. Mindestens ebenso gravierend ist, dass für sehr viele behinderte Menschen keine Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Bordtoilette gegeben ist.
Aus meiner Sicht besteht hinsichtlich der Implementierung von Mindeststandards für die Flugzeuggestaltung, durch welche Diskriminierung tatsächlich und für alle verhindert wird, dringender Handlungsbedarf. Damit weiß ich mich im Übrigen in Übereinstimmung mit der UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen, die die Vertragsstaaten auffordert, Mindeststandards für den barrierefreien Zugang zu erlassen und ihre Umsetzung zu überwachen. Angesichts der Besonderheiten des Luftverkehrs können solche Standards nur europaweit festgeschrieben werden.
Die gesamte Rede ist hier als PDF herunterladbar.